Samstag, 4. April 2015

Lauenstein bei Förster Weck 1948





Vierzehntens - Stefan´s Liebe in Lauenstein und seine Langen Strümpfe

Diese meist erfundene und erwünschte Geschichte schließt an an die Geschichte „Friedas Liebe, Neuntens meine Liebe zu mir und zum Fohlenknaben" (über Renée Sintenis´ kleine Bronze-Figur, der Fohlenknabe): http://friedas-liebe.blogspot.de/2011/04/neuntens-meine-liebe-zu-mir-und-zum.html . Ich bin August Weck und seiner Frau Emelie dankbar für ihre Gastfreundschaft im Sommer und Herbst 1948.
Vielleicht erinnert ihr euch, wie ich in den Sommerferien 1948, mit 15 Jahren, das Förster-Ehepaar August und Emelie Weck in Lauenstein besuchte, und bei ihnen zwei Wochen Ferien machte. Die beiden waren seit langem Freunde meiner Eltern. Die viertel-stündige Bahnfahrt von Hameln war die erste, die ich für mich selbst organisiert hatte, und die dicke, schwarze Lokomotive mit ihrem Lärm, Rauch und Dampf beeindruckte mich sehr. Am Haltepunkt Voldagsen stieg ich aus und ging durch die Felder zum Dorf, stiefelte an den hinteren Dorf-Rand, wo das Forsthaus steht.
 BILD 01

Beiliegende Zeichnungen sollen mich mit 15 darstellen — doch ich sah um einige Jahre jünger aus — meine Zeichenkunst ist eben — keine Kunst.

Noch zur weiteren Erinnerung an meinen ersten Bericht aus Lauenstein (seht oben): jeden Tag lief ich in den Wäldern des Ith-Berges umher, und das eine und andere Mal zog ich mich ganz nackich aus und lief nur mit einem Cape bedeckt — eben nackich — durch die Büsche. Damals gingen nicht viele Spaziergänger durch die Wälder, und falls mir jemand begegnet wäre, hätte ich mich vielleicht in mein grünes Jäger-Cape gehüllt — oder auch nicht. Außerdem hatte ich wenig Scham, nackt gesehen zu werden, immerhin war ich mit 15 noch ein Kind. Und in unserer Familie war es etwas Ehrenvolles, ein Kind zu sein. Das Wort „Kind“ ist meinen Eltern heilig.
Und das Ganze — ich meine, nackt umher zu laufen — hat mir viel Freude gemacht, so ganz ohne kleidliche Einschränkungen. Diese Leichtigkeit!
Die Wecks hatten zwei Kinder, doch nun erwachsen und längst aus dem Haus, der jüngere Heinz (nenne ich ihn mal, habe den Namen vergessen) war Anfang 20 und beim Bundesgrenzschutz. Else war Mitte 20 und Apothekerin in Sulingen.
Ich hatte Weniges in meinem Köfferchen mit, weil Emelie meiner Mutter gesagt hatte, daß sie noch Vieles von ihren Kindern hätte. Nachts schlief ich im Zimmerchen von Heinz. Emelie öffnete eine Kommode und zeigte mir, was ich da nehmen könnte. Mich begeisterte sofort eine kurze Lederhose. Ich hatte nie eine „echte Lederne“ besessen, in unserer Familie kleidete man sich etwas eleganter ... .
BILD 02: Lederhose um 1950, aus dem Internet,
Wunschtraum meiner Kindheit,
so war die Lederne, die ich von Heinz erbte.
In meinem Elternhaus kleideten wir uns nur in feine Stoffe. Ich nahm das schöne Stück und zog es schnell an, krempelte wie es alle taten die Hosenbeine einmal um und war glücklich. Da gab es keine Hosenträger sondern einen Gürtel —  ich fühlte mich richtig zünftig. Und ein grünes Hemd nahm ich, grün wie die Wälder, auch zünftig.

BILD 03: Stefan in Lederhose und Langen Strümpfen
Doch dann ging Emelie mit mir in Elses Zimmer und zeigte mir, was ich dort aus dem Schrank nehmen könnte. Da war es noch schöner als die Lederhose. Im Schrank hingen ein paar Kleider und Röcke, und einen Rock wollte ich schon von Klein an gerne anziehen. Doch noch traute ich mich nicht, das zu äußern.
Erst nahm ich mir ein bunt kariertes Kleid vom Bügel und liebkoste es, bis Emelie sagte, „zieh es doch mal an, und behalte es an zum Abendbrot. Und hier ist auch noch ein Unterrock, das gehört dazu.“ August war erstaunt über meinen neuen Kleidungsstil. Das Kleid behielt ich den ganzen Abend an. Ich muß glücklich gestrahlt haben. Doch das Kleid war mir um die Brust zu weit, und zum nächsten Tag entschloß ich mich, lieber Röcke zu tragen — mit dem grünen Hemd. Röcke kamen mir etwas männlicher vor. Vorerst nur im Haus. Draußen die gewohnten kurzen Hosen, na ja, vor allem die Lederhose.
Emelie gab mir noch einen von Elses blaßgrünen Schlüpfern, aber die mochte ich nicht, ich behielt lieber meine leichten Knaben-Schlüpfer an — oder gar nichts drunter, in der Ledernen.
Meistens lief ich ja durch die Ith-Wälder, beobachtete Tiere, und ließ mir von August das Försterliche erklären. Nach ein paar Tagen öffnete Emelie mir eine Kommode mit Elses Sachen. Da liegen nun Elses Strümpfe und Unterwäsche. Bewundernd nahm ich ein Paar lange, beige Strümpfe heraus, „das ist feinste Baumwolle,“ sagte Emelie. "Allerdings hat sie sie mal gekürzt, sie wollte sie nicht ganz lang." Ich würde sie gerne mal anziehen. Denn seit ich mit zehn Jahren mal für ein paar Tage Lange Strümpfe angehabt hatte — aber dann nie mehr —, begeistert mich diese Kleidung immer wieder. Und ich beneide die anderen Kinder, wenn sie welche anhaben. Doch meine Mutter gab mir nie wieder welche — trotz meiner Bitten.
Diese Strümpfe sind mir nicht zu kurz  — Else hatte wohl kürzere Beine oder ihr Kleid war lang genug. Doch seht das BILD 09.

BILD 04: Else´s beige Strümpfe, oben verkürzt
 Nun aber kommt DIESE Gelegenheit. Emelie zeigte mir eines nachmittags noch etwas, das ich nicht erkannte, ein Kleidungsstück mit vier Strumpfhaltern dran. Emelie hielt das Stück hoch, und ich war vollständig hingerissen ohne zu wissen, was das war. Sie sagte, es ist ein Strumpfhalter-Gürtel, gehört auch Else, hat jedes Mädchen. Nun sah ich, auch meine Schwestern tragen solche Dinge, nur hatte ich bisher nicht darauf geachtet.

BILD 05: Else´s schönster Strumpfhalter-Gürtel und Büstenhalter, 
von Emelie gehäkelt.
Diese Fotos machte mein Vater als er uns mal besuchte
Emelie passte den Gürtel für meine Hüftweite an, mit kleinen Häkchen, passte ihn eben unter den Nabel an. Und die Strumpfhalter hängen erstmal runter. Dazu zog ich mich ganz aus. Zu erwähnen habe ich, daß wir zuhause viel nackich rum laufen und keine Scheu oder Scham voreinander haben. Und so war es für mich auch hier einfach. Emelie sagte, „du mußt die Strumpfhalter immer zu unterst tragen, wegen dem Klo. Und den Schlüpfer und alles andere drüber.“
Und zeigte mir, wie ich die Strümpfe daran befestigen könnte, mit den Drahtösen, nach denen ich mich schon lange gesehnt hatte, Mädchen und Frauen haben es ja so. Mit zehn damals hatte ich das anders: an jeden Strumpf waren zwei weiße Knöpfe genäht, und am Leibchen hingen zwei Lochgummis als Strumpfhalter.

BILD 06: Lange Kinderstrümpfe mit Knöpfen und Lochgummiband,
wie in den 30er und 40er Jahren von Kindern bis 10 getragen –
alte Zeichnung mit Stück Lochgummiband

Nun habe ich also mal wieder lange Strümpfe an, nach so vielen Jahren, richtig zünftig mit echten Strumpfhaltern. Und dazu diese jungenhafte Lederne. Passt das zusammen?
Ich war so glücklich. Zog die Lederne drüber und suchte einen großen Spiegel, um mich zu betrachten. Später ging ich etwas verlegen ins Dorf und suchte nach Bekanntschaften mit anderen Kindern. Wollte sehen, wie das wirkte. Die Jungen sahen etwas verlegen wo anders hin. Die Mädchen bewunderten mich und lobten meinen Kleidungsstil, die feinen Strümpfe. Und fragten, wie ich sie aufgehängt hätte. Ich zeigt das Ende der Strumpfhalter, und sie waren zufrieden.

BILD 07: Lange Fein-Strümpfe mit Drahtöse,
das ist die perfekte Art
Doch das war nur an einem Abend, denn es war warmer Sommer, nackte Beine waren passender. Ich zog die Strümpfe an diesen Wochen nie wieder an. Es war mir nun klar, daß ich zu den Herbstferien wieder zu den Wecks reisen würde. Und daß ich dann die Kleidung ihrer Kinder die ganze Zeit anziehen würde. Und so kam es.
Herbstferien: Ins Dorf ging ich am ersten Abend in Elses knielangem Kleid und in den beigen Langen Strümpfen. Es war nicht klar, ob ich für ein Mädchen oder einen Jungen gehalten würde. Nur meine Haarfrisur mochte jungenartig wirken, doch diese Kleidung — ja und meine Stimme — mochten mädchenartig sein. Das genoß ich sehr. Einmal ein Mädchen sein, das war eine große Sache. Ich mag Mädchen und tue es ihnen gerne gleich — so weit es geht.
Ich konnte etwas zeichnen, und so warf ein paar Skizzen von mir auf´s Papier, die ich euch hier zeige. Ich zeichnete eine Grundzeichnung und radierte immer wieder die Kleidung aus und zeichnete Neues, wie Anzieh-Puppen.  Und mein Vater besuchte mich mal und machte Fotos von Elses Strümpfen und Haltergürtel.

BILD 08: Stefan in Lederhose und Langen Strümpfen,
halb runter gerollt
Und so, im Rock und in Langen Strümpfen ging ich während der Herbstferien in den Wald, kletterte auf den Ith-Berg, kletterte auf die Felsen da oben und sah im Land umher, sah meine Heimatstadt Hameln von weitem und die Bussarde über mir kreisen. Der Wind wehte meine Röcke umher und blies mir von unten an den Leib — und das war mal wieder mein Hochgenuß. Es kamen ein paar Spaziergänger und sahen mich von unten an wie ich auf dem Felsturm stand. Eine Frau rief hoch, „Mädchen halte mal deinen Rock zusammen, man kann ja alles sehen.“ Doch das konnten sie meinetwegen sehen, und ich kümmerte mich nicht um die Rufe.
Meistens wenn ich ins Dorf ging, hatte ich die Ledernen an, und weil es Herbst war, lange Strümpfe und an den Füßen Wollsocken. An manchen warmen Tagen rollte ich die Langen etwas runter, so daß die Knie noch geschützt waren, aber der Wind an meine Oberschenkel blies. In jenen Jahren war es üblich, daß kein Junge ab 14 mehr Lange Strümpfe trug, das war eine Art Mode. Doch mich kümmerte das nicht, ich mochte die Strümpfe und entschied mich hier für meinen Geschmack. Machmal wurde ich von den Dorfkindern deswegen geneckt, doch eher wurde das anerkannt, besonders von Mädchen und Frauen, und nach den Ferien auch von zwei meiner Lehrerinnen, die mir ihre Strümpfe auch zeigten, ich meine hoch bis zu den Strumpfhaltern. Es war etwas so normales!

BILD 09: Stefan in Lederhose und Langen Strümpfen

Einmal bekam ich eine eigenartige Lehre. Ein älterer Mann im vornehmen Anzug kam zu August und wollte etwas über Försterei erfahren, wollte wohl ein Stück Wald kaufen. Hier gehört manches Privatleuten, und man kann kaufen. Wir saßen beim Kaffee, und ich hörte gespannt zu, was August berichtete.
Da wandte sich Herr Rottsmann, so hieß der Fremde, an mich und sagte etwas von oben herab, „mein Junge, wenn du mal erwachsen werden willst, ein richtiger Mann werden willst, mußt du nicht mehr so Kindersachen anziehen.“ Ich fragte, „wieso?“ Er deutete auf meine Beine, „na solche langen Strümpfe und so ein Mini-Höschen.“
Ich wurde wohl etwas verlegen und sah August an, der schmunzelte und wartete, was ich wohl sagen würde. Herr Rottsmann weiter: „und jemand hat dich nackend im Wald rum laufen gesehen, das ist doch Kinderkram!“
Da wurde ich widerspenstig: „ich will doch gar kein Mann werden. Ich will sein und bleiben, der ich bin, ein 15-jähriger Junge, sonst nichts, so nackig wie die Natur mich geschaffen hat Und da ziehe ich an, was ich will. Kinder sind ja wohl was anderes als alte Männer, die Wälder kaufen wollen. Außerdem: ich bin nicht Ihr Junge!“
Emelie informierte den Fremden, „meine Kinder haben auch Lange Strümpfe getragen, mein Sohn heute mit 21, glaube ich, immer noch. Meine Tochter sowieso. Und wir haben gefunden, daß die Langen Strümpfe helfen, in sich zu ruhen, Selbstsicherheit zu haben, wie man sagt: geerdet zu sein. Das ist doch für Kinder wichtig, oder?“
Ich sah Herrn Rottsmann an und sagte, „ist es schwierig für Sie, nackte Kinder im Wald zu sehen? Da können Sie sich ja schon mal dran gewöhnen, ich klappe mal meinen Hosenlatz auf — habe auch keinen Schlüpfer drunter,“ und griff schon mal an die Knöpfe des ledernen Latzes.
„Nein,“ sagte er, „— Frau Weck, Sie müssen mal mehr auf den Jungen aufpassen.“
Emelie sagte, „der Junge ist froh, nicht immer in der feinen Stadtfamilie leben zu müssen, deswegen macht er hier bei uns Urlaub.“ Als ich „fein“ hörte, grinste ich.
Der Mann knurrte verächtlich und verschwand bald. Seinen Kaffee hatte er nicht ausgetrunken. Und August lachte.
Wenn August auf die Jagd ging, blieb ich weg. Das mag ich nicht, wenn einer Tiere tot schießt. Doch beobachten tue ich sie gerne. Im Herbst röhren die Hirsche, und dann ist an manchen Stellen richtiger Lärm. August ging ein paar Mal mit mir an einen Ort, von wo man genau unterscheiden kann, welcher Hirsch aus welcher Richtung röhrt.
An einem solchen Platz saßen mal ein paar Kinder aus dem Dorf, ganz still, und horchten. Wir setzten uns dazu, kein Wort, kein Rascheln. Als das Röhren vorüber war, fragte mich ein größerer Junge, ob wir beide noch zusammen an einen anderen Ort gehen wollen. „Da ist eine Hütte, da können wir über Nacht bleiben, ich habe Decken hin gelegt.“ Den Jungen kannte ich schon, er ist mir angenehm, und ich sagte zu. Er heißt Ernst. Ich war erstaunt, er hatte zu seiner alten Lederhose auch wieder Lange Strümpfe angezogen, wie ich.
Wir gingen still gewiß eine halbe Stunde durch den Wald, den Berg aufwärts. Es war ziemlich dunkel, und wir hielten uns an den Händen. Das war schön, miteinander an den Händen leitend. Doch später erschien der Mond, und ich rannte nicht mehr an Baumstämme. In der Ferne hörten wir immer noch einzelne Hirsche. Ernst bleibt stehen und lehnt mich rücklings an einen Baum, eine glatte Buche, spüre ich. Dicht legt er seinen Körper an meinen, vorne an vorne. Mit den Händen berührt er mein Gesicht, die Wangen, ganz leicht die Augenlider. „Deine Haut ist so weich — meine auch?“
Mit seinen Lippen kommt er an meine, öffnet seinen Mund und streicht mit seiner Zungenspitze über meine Lippen und dazwischen in meinen Mund. Das ist so schön, ich weiß kein anderes Wort. Dann streicht Ernst mit einer Hand an meinem Körper entlang und berührt meinen Schenkel, am Rand des Strumpfes. Und geht mit zwei Fingern von unten in das weite, lederne Hosenbein — und sucht . . .  und findet meinen Puller und die Hoden — die er nun streichelt. Ich habe ja keinen Schlüpfer drunter.
Auf dem Kamm des Ith, im hohen Wald, stehen einige dunkle Felsen, turmartig, und zwischen zweien ist die Hütte. Von der einen Seite sieht man in Richtung Hameln — das Leuchten der Stadt —, von der anderen in Richtung Hildesheim, doch dort ist es dunkel.
„Hier ist sie.“ Sehr versteckt, und nur wer es weiß, kann sie so im Dunkeln finden. Ernst öffnet eine niedrige Tür und kriecht rein. Bald hat er eine Kerze angezündet und ich folge. Hier ist es warm und gemütlich, an der einen Seíte ein paar Decken aufgehäuft. Die Kerze steht auf einem Stein — wie ein Tisch. Wir legen uns auf die Decken, und ich bin nahe dem Einschlafen. Nun erst sagt Ernst etwas, „komm, wir kuscheln uns zusammen und wickeln uns in die Decken.“ Doch erst ziehe ich mir die Lederhose aus, sie ist mir zu dick und steif. Ernst tastet meinen Körper ab und findet den Strumpfhaltergürtel. „Da hast du ja was Besonderes an für deine Strümpfe, was ist das?“ Ich erkläre das gute Stück, und merke, daß er ein wenig neidisch ist. „Meine Strumpfhalter hängen an einem Leibchen, hier fühl mal. Ganz einfach, nicht so mädchenhaft.“
Er flüstert, „für diese Nacht habe ich extra wieder diese Sachen angezogen, ich merke doch, daß du das so liebst, oder? Und ich trage das auch gerne.“
Wir sind dankbar, daß unsere Mütter uns mit dem Gedanken der Langen Strümpfe vertraut gemacht haben — „eigentlich so wie die Frauen es haben, und die Mädchen.“ Dann fällt mir ein, daß meine Mutter eher dagegen war: „Es war aber des Försters Frau, Emelie, die mir Else´s alte Sachen gegeben hat, die mir die Tür zu meiner Freude geöffnet hat,“ flüstere ich dankbar.
„Darf ich dich mal streicheln? Deswegen habe ich dich eingeladen, damit wir einander mal streicheln . . . und du mich.“ — Das ist schön, obwohl ich noch scheu bin. Er hat inzwischen auch seine Lederhose ausgezogen. Und ich fühle seinen weichen Bauch. Wie ich hat er keinen Schlüpfer an. Nur seine langen Strumpfhalter-Gummis fühle ich. Ganz dicht liegen wir zusammen und schlingen unsere Arme um einander. Es ist so gemütlich, daß ich wirklich erstmal etwas einschlafe.
Bald bin ich wieder wach, durch einen Schlitz im Dach sehe ich den Mond noch an derselben Stelle — wie vorhin. Ernst sitzt neben mir und streichelt meinen Bauch, und dann knöpft er meine Strümpfe ab und streift sie runter. Streicht über meine nackten Schenkel. Zieht meinen Strumpfgürtel runter und hat nun meinen ganzen Unterleib frei — nein, ich habe ihn frei. Frei für Ernst´s Hände. So etwas habe ich schon manchmal in Gedanken geträumt, doch das es wirklich möglich ist . . .
Ich fühle seine liebkosenden Hände an den Innenseiten der Schenkel. Da wird mein Unterkörper ganz wild und zittert, vor Wollust unter Ernst´s Hingabe. Das ist alles sehr unbekannt, ich bewundere die Lebenskunst von Ernst, die Liebes-Kunst. Ja, das ist Liebe zwischen uns. Er umfässt meinen steif gewordenen Puller und bewegt ihn hin und her, und nimmt meine Hoden in die geschlossene Faust und drückt sie ein wenig, und streichelt die Haut zwischen den Beinen. Mir wird immer wohler, und ich habe viel Lust, mich ganz hinzugeben. Meine Schenkel gehen auseinander, mein Unterkörper biegt sich ihm entgegen und zittert. Lange Zeit genußvolle Stille, genußvolles Atmen.
„Ich glaube, du hast nicht einmal Haare da unten — bist du noch ein Kind?“ „Ja, ich bin ein Kind,“ sage ich. „Und schon 15?“ — „ja, 15 und bald schon 16, ein paar sind mir aber schon gewachsen“, sage ich, „aber ich mag das nicht“. Im Kerzenschein sehe ich, daß er immerhin schon ein paar Haarbüschel hat, und ich habe Ehrfurcht davor. Ernst bittet mich, mit ihm zu summen, und wir merken, wie hoch unsere Stimmen sind — „eben, ganz Kinderstimmen,“ sagt er, „Sopran, meine ich.“ „Ja, das finde ich gut, ich will nie ein Mann werden,“ wünsche ich mir. „Was dann?“  „So bleiben wie ich bin, ein großes Kind, mit dem Können und Wissen der Erwachsenen, aber nicht mit all dem Mann- oder Frau-Getue.“ „Dann kannst du ja in der Oper Sopran singen, wie früher die Eunuchen.“  „Ach, ich will mir da nicht solche Gedanken machen, will das leben, was jetzt gerade ist — wozu sonst habe ich Ferien? — wozu sonst liegen wir beide hier gerade zusammen? Doch schön könnte das sein, Sopran bleiben.“
„— und immer Lange Strümpfe anhaben, und einen süßen Strumpfgürtel, oder?“ er lächelt, glaube ich, und ich nicke. Mir fällt ein, daß hier in dieser Hütte meine hellen Strümpfe schmutzig werden könnten, doch das will ich morgen regeln. Das ist schon in Ordnung, 15-jährige Knaben im Wald haben immer mal schmutzige Beine — das bringen die Erlebnisse mit sich. Ganz nackt sind wir nun, nur die Strümpfe ringeln sich zusammen gekringelt um unsere Unterschenkel, sonst nackt. Und Ernst legt sich Bauch an Bauch auf mich. Wir kommen einander sehr nahe, mir ist, also ob unsere Körper verschmelzen. Als ob lebendige Strahlen zwischen uns hin und her strahlen, alles in eins lebendig, ohne trennende Haut dazwischen.
Wir strecken unsere Arme und Beine in aller Richtungen, das ist ganze Offenheit. Mir ist als ob Ernst´s Körper in meinem versinkt. Ich biege meinen Kopf ganz zurück, tief in die weichen Decken, leise, helle Töne machen wir, und in unseren Körpern ist ein wohliges, leichtes Zittern, Vibrieren sagt man wohl.
Später denke ich daran, daß wir ebenso wie Mädchen waren, Knaben wie Mädchen — das hat die Natur uns mit gegeben. Ich denke, so bin ich richtig, so bin ich ich. So etwas hatte ich noch nie mit einem Mädchen erlebt, aber es muß so sein. Mädchen sind ja kaum anders als Knaben, vermute ich — außer daß sie Zöpfe tragen und immer Kleider anhaben.
Wir schlafen lange, in einander verschlungen mit unseren Armen und Beinen. In der Morgendämmerung stehen wir auf und gehen nach draußen, fast nackt, nur unsere Strümpfe ringeln sich noch immer um unsere Füße. In der Ferne ist Nebel über dem Wesertal, Hameln verbirgt sich im Nebel, ich denke, Hameln will uns nicht sehen, will sich an unserer knabenhaften Freiheit nicht beteiligen.
Ernst hat in einem Beutel etwas Butterbrot und eine Thermoskanne mit lauwarmer Milch mit gebracht. Wir sitzen nackt über dem Tal, unten das Dorf Bisperode.
Diese Art, Knabe oder Mädchen zu sein, ist so wunderschön. Mir tun alle Kinder leid, die so etwas wie diese Nacht nicht erleben können. Die Begegnung Körper zu Körper, Mensch zu Mensch, Junge zu Junge — in stillen Momenten kommt mir auch dieser Gedanke: SO EINE Begegnung von Seele zu Seele. Ein weiteres Erlebnis für mich ist es, in Else´s Röckchen im Wald umher zu streifen. Das habe ich ein paar Mal in den Herbstferien gemacht. Der Rock reicht fast bis zu den Knien, und der Unterrock ebenfalls. Ohne Unterrock könnte ich so was offenes nicht haben, wäre mir dann doch zu nackt. Wäre nackter als ganz nackt — so ist mein Gefühl. Ohne Schlüpfer wäre schon recht, und zum Pullern hocke ich mich einfach hin — wie die Mädchen auch.
Ich merke, im Rock fühle ich mich freier als in Hosen, selbst die normalen kurzen Hosen engen mich ein — außer der Ledernen von Heinz, die ist fast so offen wie ein kurzer Rock.
Ich genieße diese offene Kleidung — fast so wie das Nacktsein im Wald. Und ich genieße es, in Mädchenkleidung dem Mädchen-Sein nahe zu sein, ein wenig Mädchen zu sein. Was Mädchen in Röcken so fühlen, würde ich gerne wissen, doch ich traue mich nicht zu fragen. Ich glaube, sie könnten mir´s nicht sagen, weil sie die Röcke von klein auf gewohnt sind.
Ein paar Tage nach der Nacht mit Ernst im Wald packt Emelie mir einen Koffer, mit all den Sachen, die ich von ihren Kindern übernehmen darf, mitnehmen darf. Mehrere Paare warmer Strümpfe, meistens in braun, erdfarben, drei süße Strumpfgürtel, die kindliche Lederhose, und noch eine, etwas größere.
Mit dem Zug fahre ich wieder nach Hameln, wandere mit dem schweren Koffer die Kaiser-Straße entlang und wieder über die Weserbrücke zum Haus meiner Eltern. Das nun ein Stück weniger mein Haus ist.
Während dieses halbstündigen Weges hatte ich nur Gedanken an die Wochen am Ith, ich wünschte mir nicht nur, immer Lange Strümpfe an zu haben — ich hatte sie ja an — sondern lieber noch eines von Else´s Röckchen. Die Nacht mit Ernst war das Schönste, das zweite aber das Wandern im Rock durch die Ith-Wälder. Jetzt auf der Kaiser-Straße hätte ich mich aber nicht getraut. Ich könnte mich ja in eine Ecke stellen und umziehen — doch wirklich, ich traute mich nicht, obwohl es zwischen den Schenkeln ziemlich kitzelte und ich Sehnsucht hatte.
Zwei Tage später wieder die Schule. Gespannt gehe ich hin, in kurzen Hosen und Langen Strümpfen, ungewohnt für fast alle. Nur einer, der Erwin Lauterbach trägt Sonntags noch welche, zwar ganz aus der Mode, doch ich mag das. Ich spreche ihn an — er ist in meiner Klasse — und er meint, das sei alte Familientradition, und er trägt gerne diese Strümpfe. Und nun ich von Neuem. Erst sagt niemand etwas, doch dann werde ich von den anderen Schülern angesprochen, und es kommt zu manchen Gesprächen über die Strümpfe — einschließlich der Strumpfhalter. In der Nähe unserer Ith-Hütte wohnt aus der Parallelklasse in einem Gut das Zwillingspaar von Oertzen, die beiden tragen gewöhnlich, alltäglich ihre braunen Langen — sonst niemand. Schade, wo die doch so schön sind. Na, und ich eben.
Was das ist, diese Abwehr der Langen, diese Scheu oder gar Scham, habe ich nie erfahren, trotz vieler Fragen an andere.
Einige Monate nach den Herbstferien in Lauenstein habe ich meinen Eltern von diesen Genüssen und Gedanken erzählt, und da hörte ich, daß die Menschheit langsam in ein Zeitalter hinein wandert, wo Frau und Mann — beziehungsweise Mädchen und Junge — einander immer näher kommen. Ein Professor Gebser hat das so genannt: das „Zeitalter des Integrats“. „Die Unterschiede, so wie die Natur sie mal geschaffen hat, bleiben. Doch die Wertung verschwindet, Frau und Mann werden gleich gewertet, gleich geschätzt,“ höre ich. „Andererseits,“ sagt Vater, „ziehen Frauen immer seltener richtige, frauliche Röcke an, immer häufiger enge, sehr männliche Hosen. Sie werden männlicher, aber auch verkopfter. Ob das wohl auch eine Folge des Integrats ist? Und DU ziehst frauliche Röcke an. Und frauliche Strümpfe — noch was? Wahrscheinlich bist du fraulicher in deinem Kopf — fraulicher als die Gesellschaft das will — da freue ich mich wirklich. Fraulicher nicht nur in deinem Kopf sondern auch zwischen den Beinen.“ Diese direkten Worte machen mich verlegen, ich muß sie erstmal verdauen.
In einem Seminar in der Schule (eine reine Jungens-Schule) versuche ich diese Gedanken klar zu machen — habe mich dabei gekleidet wie ein Mädchen in Langen Strümpfen und Rock, und ziehe ihn manchmal hoch —, aber die meisten meiner Mitschüler können das kaum verstehen, „nur theoretisch,“ sagen sie. „Aber praktisch? Wie soll das denn gehen?“ werde ich gefragt. Der Lehrer meint zur Klasse, „das kann man nicht andauernd diskutieren, lasst es geschehen und erfühlt es. Erlebt den Stefan auf seinem etwas anderen Weg.“
Dann erzähle ich ein wenig von meinen Ferien. Am nächsten Tag kommt ein Junge, der Sohn eines Pastors ist, und sagt, „was du da getan hast, ist schon fast Gotteslästerung. Mein Vater hat gesagt, schon in der Bibel heißt es, daß Frau dem Mann untertan sein soll, und daran ist nichts zu ändern. Also kann es kein Integrat geben. Es kann es also nicht geben, daß ein Junge Mädchensachen trägt.“ Ich merke, wie hier „Welten aufeinander prallen,“ wie meine Mutter abends sagt. Mein Vater spricht vom Fortschritt der menschlichen Kultur, den ich da lebe, „aber das ist schwer, weil unsere europäische Kultur so steif und unbeweglich ist. Oder soll ich sagen, unsere christliche Kultur?“
Er war vor langen Jahren viel im Ausland, Asien und Afrika. Er fand, „mindestens ein Drittel der Männer auf der Erde trägt Röcke, auch in christlichen Gegenden wie Südindien.“ Wie ich das dem Pastorensohn erzähle, meint er, „das glaube ich nicht, Gott hat doch die Röcke den Frauen vorbehalten. Für Männer sind ja die Hosen da.“
Zuhause gestehe ich, daß die Langen Strümpfe seit vielen Jahren mein großer Wunschtraum sind. Und ich berichte, daß ich mich so gut darin fühle, ich will sie nie wieder aufgeben. Meiner Mutter tut es leid, daß sie nie auf meine Sehnsüchte eingegangen ist, doch nun will sie das fördern.
„Wenn es auch kein Weg zum Mann ist, vielleicht. Aber es IST ein Weg, dein eindrucksvoller Weg,“ sagt mein Vater. „Solche Leute wie du werden nicht wieder solche schrecklichen Kriege anfangen und begehen wie meine Generation — und werden sich nicht wieder so schuldig machen. Anerkennung, mein Sohn, daß du diesen neuen, weichen, liebevollen Weg beschreitest.“

BILD 10: Stefan´s Schulkleidung Herbst 1948
(ein fingiertes Foto)
In späteren Jahren besuche ich dieses mir so wichtige Dorf Lauenstein immer wieder, besonders den Ernst und die Förstersleute — und den Wald und die Felsen und Hirsche. Ernst und ich küssen uns wieder, aber so wie in der Hütte wurde es nicht. Er war zum Mann geworden, ich aber — trotz Bart und tiefer Stimme — bin innerlich ein Knabe geblieben, sonst hätte ich dieses nicht schreiben können.
Jahre später traf ich in Mecklenburg den pensionierten Revierförster Ernst Amelung, der nach August die Försterei in Lauenstein verwaltete. Er ist nicht identisch mit dem Ernst in dieser Geschichte.







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